»Durch den Verstand des Hundes besteht die Welt.«
Zend Avesta
Der große Wuff
Wir
sprechen
gemeinhin
von
»Domestikation«,
wenn
wir
den
Vorgang
beschrei
ben,
der
die
ehemals
wilden
Tiere
zu
Haustieren
werden
ließ.
Darin steckt das Wort Haus, lateinisch
domus
.
Was
den
Wolf
angeht
-
den
Stammvater
aller
unserer
heutigen
Hunde
-
,
ist
dies
eine
ziemlich
unsinnige
Bezeich
nung,
denn
wir
wissen
dank
fossiler
Hundeschädel
und
gentechnischer
Untersuchungen,
dass
die
Menschen
überhaupt
noch
keine
Häuser
hatten,
als
sie
sich
mit
den Wölfen zusammenfanden.
Da
es
eher
nicht
so
war,
dass
die
Menschen
der
Steinzeit
den
Wolf
zu
sich
holten
und
zähmten,
sondern
eher
so,
dass
sich
die
Menschen
den
Wölfen
anschlossen,
müsste
man
von
einer
»Kubilation«
des
Menschen
sprechen,
nach
lateinisch
cubile
für
Höhle
-
in
diesem Fall die der Wölfe.
Es
spricht
vieles
dafür,
dass
nicht
die
Wölfe
sich
den
Menschen
angenähert
haben,
sondern
die
steinzeitlichen
Jagdhorden
der
Menschen
dem
damals
erfolgreichsten
Raubtier
der
Erde
folgten:
dem
großen
grauen
Wolf.
Die
Wölfe
Eurasiens,
von
denen
alle
Hunde
abstammen,
lebten
in
Rudeln
und
»bewirt
-
schaf
teten«
die
gewaltigen
Rentierherden,
die
durch
die eiszeitliche Mammut
steppe zogen.
Die
Wölfe
benahmen
sich
dabei
ganz
wie
menschliche
Rentier
hirten.
Sie
folgten
den
Herden
und
sorgten
dafür,
dass
die
schwachen
und
kranken
Tiere
nicht
überlebten
und
also
die
anderen
Rentiere
nicht
anstecken
konnten.
Sie
jagten
und
lebten
dabei
in
einer
allen
anderen
damaligen
Tieren
-
die
Menschen
einge
schlossen
-
überlegenen
Gesellschaftsform:
im Rudel.
Das
Wolfsrudel
ist
ein
komple
xer
Organismus,
der
auf
Kommunikation
und
Kooperation
basiert.
Wölfe
pflegen
Freundschaften,
über
Familienbande
hinaus.
Sie
helfen
sich
gegen
seitig,
betreuen
den
Nachwuchs
gemeinsam,
sie
teilen
- die Arbeit und das Futter.
All
das
kannten
und
konnten
die
Menschen
nicht,
die
vor
über
hunderttausend
Jahren
den
jagenden
Wolfsrudeln
durch
die
Steppe
folgten.
Wir
haben
das
vom
Wolf
gelernt,
der
in
Koevolution
mit
uns
zum
Hund
wurde.
Das
ist
der
Anteil
des
Hundes
an
der
Menschwerdung
des
Affen:
Wir
haben
von
ihm
unsere
soziale
Kompetenz.
Genauer:
Wir
haben
es
von
den
Neandertalern
gelernt
und
die
vom
Wolf.
Denn
Homo
sapiens
kam
erst
vor
etwa
40.000
Jahren
nach
Eurasien.
Damals
gab
es
aber
schon
hundeähnliche
Wölfe
hier, die mit den Menschen zusammenlebten.
Hundefossil:
31.700 Jahre alt
Wie der Mensch auf den Hund kam
Domestikation?
Kein anderes Tier versteht den Menschen
besser als ein Hund: schon die Welpen kennen
unsere Gesten. Aber weder Schimpansen noch
Wölfe verstehen sie. Das liegt an unserer ge-
meinsamen Entwicklungsgeschichte, der
Koevolution. Das ist ein gegenseitiger Anpass-
ungsprozess zweier über lange Zeit
interagierender Arten. Mensch und Hund haben
sich jahrtausendelang miteinander entwickelt
und sich dabei aneinander angepasst.
Koevolution von Mensch und Hund
Wenn
sich
die
Hunde,
wie
manche
Gen
unter
su
chun
gen
nahelegen,
vor
weit
mehr
als
100.000
Jahren
in
Eurasien
vom
Wolf
getrennt
und
den
Menschen
angeschlos
sen
haben,
dann
waren
diese
Men
schen
Neander
taler.
Wir
»moderne
Menschen«,
die
Homo
sapiens,
hätten
also
den
Hund
und
gro
ße
Teile
unseres
Sozialverhaltens
-
zusammen
mit
ein
paar
Genen
-
vom
Neander
taler
über
-
nommen.
Neandertaler
Outdoor-Skulptur:
Neanderthal-Museum